Im heutigen digitalen Arbeitsalltag sind öffentliche Institutionen auf IT-Lösungen angewiesen, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. Doch was passiert, wenn sich diese Organisationen an einen einzigen Anbieter binden und ihre IT-Infrastruktur nicht ohne erhebliche finanzielle und betriebliche Folgen anpassen können?
Ein aktueller Artikel von Computerworld beleuchtet die Herausforderungen der Administration der Region Süd-Dänemark (Region Syddanmark), die Microsoft-Lizenzgebühren für 25.000 Mitarbeitende in voller Höhe zahlen muss – obwohl ein Großteil der Belegschaft die Software kaum nutzt [1]. Ähnliche Probleme bestehen in der Administration der Hauptstadtregion Dänemark, die mit steigenden IT-Kosten und einer zunehmenden Abhängigkeit von Anbietern kämpft. Diese Fälle verdeutlichen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern um eine weit verbreitete Herausforderung im öffentlichen Sektor: Anbieterbindung.
Was ist Anbieterbindung?
Von Anbieterbindung spricht man, wenn eine Organisation derart von einem bestimmten Technologieanbieter abhängig wird, dass ein Wechsel zu einer alternativen Lösung entweder zu teuer oder zu kompliziert ist. Dies geschieht oft, wenn proprietäre Software tief in die Arbeitsabläufe integriert ist und ein Umstieg sowohl kostspielig als auch technologisch zu einschneidend wäre.
Die finanziellen Belastungen der Anbieterbindung
Eines der größten Risiken der Anbieterbindung ist die Eskalation der Kosten. Öffentliche Institutionen unterzeichnen oft langfristige Verträge mit großen Softwareanbietern, um später festzustellen, dass:
die Lizenzgebühren kontinuierlich steigen, während die Verhandlungsmacht begrenzt bleibt,
Mitarbeitende nur einen Bruchteil der verfügbaren Software nutzen, was zu unnötigen Ausgaben führt,
Funktionen bezahlt werden müssen, die nicht benötigt werden, ohne dass eine Abwahl möglich ist.
Laut Computerworld muss die Administration der Region Süd-Dänemark jährlich fast 70 Millionen dänische Kronen (etwa 9,3 Millionen Euro) für Microsoft ausgeben, obwohl viele Mitarbeitende lediglich E-Mail-Zugriff benötigen [1]. Die Hauptstadtregion Dänemark steht vor ähnlichen Budgetproblemen, da die Softwarekosten weiter steigen, obwohl der tatsächliche Bedarf nicht abgedeckt wird [2]. Diese unnötigen Kosten binden Mittel, die für essenzielle öffentliche Dienstleistungen eingesetzt werden könnten.
Betriebliche Herausforderungen: Standardisierung vs. Flexibilität
Ein weiteres wesentliches Problem der Anbieterbindung ist der Verlust an Flexibilität bei der Auswahl der geeigneten Werkzeuge für verschiedene Gruppen von Mitarbeitenden. Öffentliche Organisationen haben oftmals eine heterogene Belegschaft mit unterschiedlichen IT-Bedarfen:
Administratives Personal benötigt umfassende Bürosoftware,
Fachkräfte im Gesundheitswesen brauchen spezialisierte Kommunikationstools,
Mitarbeitende im Außendienst benötigen lediglich mobilen Zugriff auf relevante Informationen.
Ein starres, einheitliches Softwarepaket zwingt Organisationen dazu, für Funktionen zu zahlen, die viele Mitarbeitende nicht nutzen. Stattdessen sollten öffentliche Institutionen eine ausgewogene Lösung anstreben, die Standardisierung dort ermöglicht, wo sie notwendig ist, und gleichzeitig Flexibilität bei der Softwareauswahl gewährleistet.
Wege aus der Anbieterbindung
Öffentliche Institutionen können proaktive Maßnahmen ergreifen, um die Risiken der Anbieterabhängigkeit zu minimieren:
Tatsächliche Nutzung analysieren: Regelmäßige Audits durchführen, um den realen Softwarebedarf der Mitarbeitenden zu ermitteln.
Flexible Verträge aushandeln: Auf modulare Lizenzvereinbarungen drängen, die es Institutionen ermöglichen, nur für benötigte Funktionen zu zahlen.
Offene Standards und Interoperabilität präferieren: In Lösungen investieren, die Integrationen mit mehreren Plattformen unterstützen, anstatt sich auf einen Anbieter zu verlassen.
Hybride Ansätze in Betracht ziehen: Eine Kombination aus mehreren proprietären und Open-Source-Lösungen nutzen, um operative Flexibilität zu bewahren.
Nutzerzentrierte IT-Strategien verfolgen: Mitarbeitende in den Entscheidungsprozess einbinden, um deren tatsächliche Bedürfnisse zu verstehen, bevor Investitionen getätigt werden.
Zukunftsorientierte Strategien
Die Anbieterbindung ist nicht nur ein finanzielles Problem, sondern eine strategische Herausforderung, die sich auf digitale Autonomie und betriebliche Effizienz auswirkt. Um eine moderne, digitale Arbeitsumgebung zu optimieren, müssen öffentliche Institutionen ein Gleichgewicht zwischen Standardisierung und Anpassungsfähigkeit finden. Ein durchdachter Ansatz stellt sicher, dass IT-Lösungen sowohl kosteneffizient als auch flexibel sind und allen Mitarbeitenden einen echten Mehrwert bieten.
[1] Computerworld: Bliver næsten ikke anvendt: Alligevel tvinger Microsoft Region Syddanmark til at betale fuld pris for alle 25.000 medarbejdere
https://www.computerworld.dk/art/290641/bliver-naesten-ikke-anvendt-alligevel-tvinger-microsoft-region-syddanmark-til-at-betale-fuld-pris-for-alle-25-000-medarbejdere
[2] Computerworld: Hver dag betaler Region Hovedstaden mere end 174.000 kroner for Microsoft-licenser: "Vi betaler rigtig mange penge for at sende en mail"
https://www.computerworld.dk/art/290669/hver-dag-betaler-region-hovedstaden-mere-end-174-000-kroner-for-microsoft-licenser-vi-betaler-rigtig-mange-penge-for-at-sende-en-mail